Schon länger gab es Gerüchte um eine europäische Vereinheitlichung der Regelungen zur Pyrotechnik, zu der bekanntlich auch die Raketenmodellantriebe zählen.
Seit 2011 liefen konkrete Gespräche der EU-Staaten über gemeinsame Zulassungs- bzw. Prüfbestimmungen für Feuerwerkskörper und anderen pyrotechnischen Gegenständen in Form einer EU-Norm.
Dazu standen Befürchtungen im Raum, dass es wieder einmal zu einer Erlaubnispflicht der bisher frei verkäuflichen Raketenmodellantriebe (in Deutschland bis 20 Gramm Treibstoff) kommen könnte. Schon 1997 drohte durch die sog. EWG-Richtlinie 93/15 das Verbot des freien Raketenmodellfluges und konnte damals nur in letzter Minute abgewendet werden (s.a. Bericht auf der RAMOG Homepage – Knapp an der Katastrophe vorbei).
Eine ganze Reihe von Vorschlägen war von den europäischen Staaten eingereicht worden. Die deutsche Kommission beim Bundesministerium des Innern hatte hierzu den zuständigen Spitzenverband für den Raketenmodellsport, d.h. den Deutschen Aero Club (DAeC), um Stellungnahme gebeten und wollte die Freigrenze auf 75 Gramm Gramm anheben.
Die europäische Normungskommission einigte sich aber im November des Jahres 2011 darauf, dass in Raketenmodellantrieben der Kategorie P1 (früher T1) künftig bis 150 Gramm Treibstoffmasse (NEM = Nettoexplosivstoffmasse) enthalten sein können. Für manche europäische Länder, die bisher erheblich größere Freigrenzen hatten (so z.B. Großbritannien bis 1000 Gramm oder Frankreich bis 500 Gramm) bedeutete dies natürlich einen Rückschritt, aber man war gezwungen, einen Kompromiss zu schließen.
Ursprünglich erklärte uns das für das Sprengstoffrecht zuständige Bundesministerium des Innern (BMI), dass die Treibstoffmenge von 150 Gramm nicht automatisch übernommen werde, sondern dass Deutschland dazu eine eigene Regelung erlassen werde.
Diese Abweichung von Europäischen Regelungen wäre nach dem EU-Recht zulässig, wenn der entsprechende Mitgliedsstaat durch die EU-Regelung eine Bedrohung der inneren Sicherheit befürchten musste. Es war damals eine unruhige Zeit mit vielen Terroranschlägen, so dass eine niedrigere Freigrenze durchaus im Bereich der Möglichkeiten lag.
Längere Zeit ließ uns das BMI in Unkenntnis über seine Absichten, doch nach einer Anfrage der Bundesmodellflugkommission des DAeC erhielten wir im November 2016 die Auskunft des BMI, dass die Grenze für P1-Raketenmotoren von 150 g bereits gelte und verwies dazu auf die Europäischen Normen (DIN-EN 16263-3). Damit hatte das BMI überraschend und entgegen den ursprünglich angedeuteten Absichten die europäische Norm übernommen.
Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass alle zugelassenen P2-Motoren über 20 Gramm bis 150 Gramm sofort erlaubnisfrei verwendet werden dürfen. Die Mehrzahl der bisher zugelassenen P2-Motoren ist noch nach Bestimmungen der deutschen Bundes-anstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) geprüft und nicht nach den europäischen Prüfbedingungen. Die BAM-Zulassungen erloschen jedoch am 03.07.2017. Zu den sonstigen Zulassungen von Import-Motoren ist uns bekannt, dass von der US-Fa. Aerotech verschiedene Motoren nach der Euronorm zugelassen wurden. Derzeit sind uns keine P1-Motoren mit Euronorm-Zulassung über 20 Gramm aus deutscher Fertigung bekannt. Die Firma Raketenmodellbau Klima hat jedoch welche in Entwicklung.
Änderung der Luftverkehrsordnung
Bisher besteht im Luftrecht die Freigrenze von 20 Gramm Treibstoff für Raketenmodellantriebe. Nach der Neufestlegung der Freigrenze von 150 Gramm im sprengstoffrechtlichen Bereich sollte logischerweise auch eine Änderung der Freigrenze im Luftrecht erfolgen.
Aber auch nach dem Erlass der sog. Drohnenverordnung vom 30. März 2017 und der damit verbundenen Änderung der Luftverkehrsordnung gilt weiterhin das Erfordernis einer luftrechtlichen Aufstiegserlaubnis der zuständigen Landes-Luftfahrtbehörde bei einer Treibstoffmasse von mehr als 20 Gramm (§ 21 a Absatz 1 Nr. 2 LuftVO). Dies gilt auch bei der Bündelung von Raketenmodell-antrieben, sofern die Gesamtmenge des Treibstoffes in den Motoren zusammen die 20-Gramm-Freigrenze überschreitet.
Im Rahmen der „Drohnenverordnung“ wurde für alle Arten von Flugmodellen – damit auch für Raketenmodelle unter 20 Gramm Treibstoffmasse der Betrieb in Flughöhen von über 100 m grundsätzlich verboten. Davon ausgenommen ist nur der Modellflugbetrieb auf formell von den Luftfahrtbehörden zugelassenen Modellflugplätzen.
Von der 100 m Flughöhenbegrenzung ist jedoch auch befreit, wer einen sog. Kenntnisnachweis abgelegt hat (§ 21 a Absatz 4 i.V. mit § 21 b Abs. 1 Nr. 8 b LuftVO).
Im Rahmen einer Online-Prüfung sind Kenntnisse in der der Anwendung und Navigation der Modellfluggeräte (damit auch der Raketenmodelle), der einschlägigen luftrechtlichen Grundlagen und der örtlichen Luftraumordnung vorgesehen nachzuweisen (Einzelheiten dazu unter https://www.kenntnisnachweis-modellflug.de/Wissensvermittlung )
Diese Kenntnisse sind auch für formelle Aufstiegserlaubnisse für Raketenmodelle mit mehr als 20 Gramm Treibstoffmasse nachzuweisen.
Mit der Durchführung der Prüfungen sind die Modellflug-Spitzenverbände wie der Deutsche Aero Club beauftragt. Die Bescheinigungen über die erfolgreiche Ablegung der Prüfung gelten 5 Jahre und werden erst ab einem Alter von 14 Jahren erteilt. Die gesetzlich geregelte Gebühr für einen Kenntnisnachweis beträgt 25 € + Mehrwertsteuer + Portokosten. Der Kenntnisnachweis wird nach Entrichtung der Gebühr per Brief zugeschickt.
Nach der Übernahme der Zuständigkeit auch für unbemannte Fluggeräte durch die EU mit der Luftfahrt-Grundverordnung 2018/1139 vom 4. Juli 2018 und der daraus folgenden Durchführungsverordnung (EU) 2019/947 vom 24.05.2019 ist derzeit das deutsche Modellflug-Luftrecht den EU-Bestimmungen anzupassen. Eine Übersicht über das EU-Modellflugrecht findet man hier: https://www.daec.de/fileadmin/user_upload/files/2020/Sportarten/Modellflug/news/05/Matrix.pdf – Die neuen Europäischen Regeln für den Modellflug.
Das Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des deutschen Luftverkehrsgesetzes und der deutschen Luftverkehrsordnung läuft bereits. Die bereits genannte EU-Durchführungsverordnung 2019/947 ist am 01.01.2021 bereits in Kraft getreten. Dies gilt allerdings nicht für die organisierten Modellflieger (d.h. die einem Verband wie z.B. dem DAeC angeschlossen sind). Für diese gelten die neuen Regeln erst am 01.01.2023.
Bereits ab 01.01.2021 gilt jedoch die Anmeldepflicht für Modellflieger, die Modelle mit einem Startgewicht mit mehr als 249 Gramm betreiben wollen. Die Anmeldung ist beim Luftfahrtbundesamt vorzunehmen. Allerdings ist die Anmeldepflicht derzeit bis 30.04.2021 wegen verschiedener Probleme ausgesetzt.
Gleichwohl gilt die Kennzeichnungspflicht für Modelle mit mehr als 249 Gramm Startgewicht nach § 19 Abs. 3 der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung weiter, nachdem der Eigentümer eines Flugmodells an sichtbarer Stelle seinen Namen und seine Anschrift in dauerhafter und feuerfester Beschriftung an dem „Fluggerät“ anbringen muss.
Dieser Beitrag wurde zuletzt am 23.01.2021 mit Stand 10.01.2021 aktualisiert.
Herbert Gründler
Beratendes Mitglied der Bundes-Modellflugkommission